Premiere:  Musiktheater im Revier MIR, 08.04.2022  Spiel: Daniel Jeroma, Johanna Kunze, Merten Schroedter, Gloria Iberl-Thieme, Karoline Sofie Hoffmann, Sebastian Schiller, Colin Danderski, Lukas Streich, Jasmina de Boer Bühne: Jelena Nagorni Kostüme: Amit Epstein Puppenbau: Lili Laube Musik: We Will Kaleid Dramaturgie: Anna-Maria Polke
© Foto: Matthias Jung / Ivan Kravtzov für MIR
Achim Lettmann, Westfälischer Anzeiger, 12.04.2022: „Amphitryon“ (1807) von Heinrich von Kleist wird an Schauspielhäusern selten inszeniert. Das Musiktheater im Revier (MiR) in Gelsenkirchen hat einen zeitgemäßen Zugang gefunden. (…) Es gelingt, Kleists Identitätsfragen, wie schnell Menschen den Bezug zu ihrem Selbst verlieren, in unsere Zeit zu übertragen. (…) Diese Wesen fordern heraus: Es sind Götter bei Kleist, die hier durch einen hörbaren Hauch die Identität wechseln können. So spielen sie auf die mehreren Erscheinungsbilder des Einzelnen in unserer Leistungsgesellschaft mit ihren digitalen Nebenwelten an. Wie zeigt sich noch die eigene Persönlichkeit? Alkmenes Zofe Charis, die Gloria Iberl-Thieme herrlich kess und voller Eigenliebe bewegt, fällt ergeben zu Boden, weil sie hofft, dass Sosias ihr Auskommen sichert. Anpassung ist für Amphitryon natürlich keine Option. Im Schlussbild tanzt er ausgelassen zu Elektropop. Die Welt als Dancefloor. Spektakel statt Selbstfindung ist die Losung einer souveränen Inszenierung, die Gedankenspiele mit Showelementen dramatisiert und insgesamt überzeugt.
Sarah Heppekausen, Fidena, 07.04.2022: (…) es sind die Puppen, die Emotionales durchfunkeln lassen, genauer gesagt, die Puppen und ihre Spieler*innen. Wenn sich der beleidigte Jupiter-Amphitryon eine Zigarette anzündet und schmollt. Wenn Alkmene (Johanna Kunze) diese göttliche Gattenpuppe auf den Arm nimmt und plötzlich auch Rollenbilder infrage gestellt werden. Und wenn die Götter als unechte Menschen entlarvt werden: Dann erscheinen unter ihren Masken gesichtslose Köpfe. Ihre Körper saugen sich ein und verschwinden im Nichts. Entlarvte Kopfgeburten des Menschen.
Back to Top